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Betriebsübernahme - Ertragfähigkeit beurteilen - Meisterprüfung Teil 3

Möchten Sie für die Meisterprüfung am Ball bleiben und nebenbei einige Minuten in die Prüfungsvorbereitung investieren? Bei  "Meisterwissen kompakt" können Sie gelernte Grundlagen mit Bezug zur Praxis für die Meisterprüfung auffrischen. 

Mitarbeiterführung Handwerk


Willkommen im Hinterauhof!

Ihr Onkel, Küchenchef und Gastronom Hubert Löffelmann aus Oberbayern, hat die Liebe seines Lebens gefunden und möchte von nun ab mit ihr um die Welt reisen.

Als Lieblingsneffe/ Lieblingsnichte schenkt er Ihnen seinen gut eingeführten Gasthof, den „Hinterauhof“. Einen Überblick über die Menschen und Aufgaben im Hinterauhof finden Sie unten in der Beschreibung.

 

Sie sind frisch gebackene*r Handwerksmeister*in. Mit Teil III der Meisterausbildung haben Sie das Wissen, um einen Betrieb zu führen. Deswegen freuen Sie sich auf die -etwas anders als geplante - neue Aufgabe.

Mehr zum Hinterauhof finden Sie hier.

 

Künftige Ertragfähigkeit des Betriebes einschätzen

 

Im vorigen Teil wurde festgestellt, dass in unternehmerische Entscheidungen mit bestimmten Bereichen und Themen besonders in Zusammenhang stehen. Des Weiteren ist Ihnen klar, dass es oberstes Ziel einer Selbständigkeit ist, Gewinn zu erwirtschaften, denn Sie möchten damit ja Ihre Existenz sichern.

  

Nun haben Sie das Glück, dass Sie Ihren Onkel Hubert und den Hinterauhof schon seit Kindesbeinen kennen und dass Onkel Hubert Ihnen den Hof zu Lebzeiten vermachen möchte. Trotzdem bleibt die Übernahme eines Betriebes und seiner Mitarbeiter eine große Verantwortung. Bisher hat Onkel Hubert mit seinen Fähigkeiten und seiner langjährigen Erfahrung offenbar gut mit dem Hinterauhof verdient, sonst könnte er sich nun nicht aus dem Betrieb zurückziehen. Aber heißt das gleichzeitig, dass der Betrieb auch künftig Ertrag bringen wird? 

 

Wie können Sie die künftige Ertragfähigkeit des Hinterauhofs einschätzen?

 

Einen Betrieb vom Onkel übernehmen zu können – quasi geschenkt – ist eine einmalige Gelegenheit. Aber mit der Übergabe sind Sie nicht nur stolzer Eigentümer, sondern darüber hinaus auch Inhaber sehr vieler Verpflichtungen, die Sie nicht so einfach wieder loswerden. Pflichten aufgrund des Haus- und Grundbesitzes, Pflichten gegenüber Mitarbeitern, Auftraggebern, Versicherungen, Finanzamt und und und. Und auch sich selbst und Ihrer Familie gegenüber haben Sie Verpflichtungen. Ob Sie diese Verpflichtungen eingehen möchten, muss gut überlegt sein.

 

Viele dieser Verpflichtungen drücken sich in Kosten aus. Aus diesem Grund muss der Hinterauhof genügend Ertrag erwirtschaften. Deswegen ist es wichtig, die Stärken und Schwächen des Betriebes zu kennen und anschließend einzuschätzen, ob der Betrieb auch in Zukunft ertragreich sein kann.

 

Nach welchen Gesichtspunkten sollten Sie den Betrieb auf seinen aktuellen Zustand untersuchen?

 

Zunächst einmal ist es ein Vorteil, dass Sie Ihren Onkel so gut kennen und aus langjähriger Erfahrung wissen, dass er es gut mit Ihnen meint. Er wird Ihnen den Hinterauhof mit den allerbesten Absichten übergeben. Aber was, wenn der Übergebende nicht Ihr Onkel, sondern ein Fremder wäre? Dann sollten Sie auf jeden Fall genau hinterfragen, ob der Betrieb aus den genannten Gründen übergeben wird, oder ob man Ihnen einen maroden Laden unterjubeln will. Die wahren Gründe für die Übergabe sagen bereits einiges über die Zukunftsperspektiven des Betriebes aus.

 

Wenn Ihnen der Übergeber vertrauenswürdig vorkommt, sollten Sie die materielle Substanz begutachten:

 

Wie ist eigentlich der Zustand des Betriebes? Sind die Gebäude intakt oder erwarten Sie demnächst kostspielige Reparaturen und Erneuerungen, muss z. B. das Dach neu gedeckt werden?

 

Wie ist der technische Zustand der betrieblichen Anlagen? Können Sie langfristig damit rechnen, dass alle Geräte, Fahrzeuge und Maschinen funktionieren oder müssen Sie Geld für Neuanschaffungen aufbringen? Ist zum Beispiel der leicht rostige Lieferwagen noch eine Weile brauchbar oder müssen Sie schon bald in einen neuen investieren?

 

Und wo Sie schon einmal dabei sind: Wie steht es überhaupt mit dem Hinterauhof? Werden Sie den Betrieb weiterhin hier führen können? Vielleicht gibt es künftig Einschränkungen, der die Lage uninteressant macht. Dürfen die Zufahrtswege von Gästen weiterhin genutzt werden? Wird der umgebende Naturpark weiterhin für Besucher attraktiv bleiben?

 

Und a propos Natur: Könnte es irgendwelche ökologischen Schwachstellen mit dem Betrieb geben? Wurden vielleicht Baustoffe verwendet, die bei Renovierungen teuer entsorgt werden müssen?

  

Materielle Gesichtspunkte, um die Ertragfähigkeit des Betriebes zu beurteilen, sind die Ertragslage und deren Entwicklung in den letzten Jahren, der bauliche Zustand des Betriebes, die technischen Gegebenheiten, der Unternehmensstandort und mögliche ökologische Belastungen.

 

Sind die materiellen Voraussetzungen des Betriebes vielversprechend, sollten Sie einen Blick auf das ökonomischen Potenzial richten, also darauf, mit welchen unternehmerischen Gegebenheiten Sie in die Selbständigkeit starten.

 

Der Hinterauhof ist ein Betrieb mit vielen Gästen und hat neben dem Gasthof noch eine Alm, einen Marktstand und große Feiern zu bewirtschaften. Das werden Sie kaum allein schaffen. Wie steht es also mit den Mitarbeitern? Gibt es gute und fähige Mitarbeiter, die auch nach der Übernahme bei Ihnen bleiben werden? Und wenn nicht, werden Sie dann passende andere Mitarbeiter finden?

 

Und wie ist es eigentlich mit Ihren Kunden, mit den Gästen? Sind das Stammkunden, die wegen Ihres Onkels kommen, oder können Sie darauf hoffen, dass die Kunden weiterhin zu Ihnen kommen werden?

 

Vielleicht gibt es sogar Konkurrenz, die nur darauf wartet, Ihre Kunden abzuwerben. Achten müssen Sie also auch darauf, wie die Wettbewerbssituation Ihres Betriebes ist. Ist Ihr Betrieb der Platzhirsch oder kommen Ihre Gäste nur, wenn alle anderen geschlossen haben? Gibt es viele Mitbewerber und ist Ihr Angebot noch zeitgemäß?

 

Dazu gehört es auch, sich einmal das Angebot des Hinterauhofs genau anzuschauen und zu vergleichen. Das, was Sie bieten, welche Kochkunst, die Ausrichtung der Feiern, die Einrichtung der Alm, ist das ein reizvolles Angebot für Gäste? Was bietet die Konkurrenz? Und mit welchen Mitteln werden neue Kunden gewonnen? Können Sie sich mit diesem Angebot identifizieren und es überzeugt anbieten?

  

Unternehmerische Gegebenheiten, auf die Sie vor einer Übernahme achten sollten, sind also das Angebot, der Bestand der Mitarbeiter, die Stellung des Betriebes gegenüber dem Wettbewerb und die Kunden und Kundengewinnung.  

 

Natürlich werden Sie sich nicht nur die betrieblichen Gegebenheiten anschauen und hinterfragen, welche Gründe der Übergeber für die Betriebsübergabe hat.

 

Ein ganz wichtiger und aussagekräftiger Aspekt sind auch die betriebswirtschaftlichen Zahlen.

 

Hier können Sie aus den aktuellen Auswertungen wie auch aus der Entwicklung der letzten Jahre einiges herauslesen. Schauen Sie sich mindestens die letzten drei Jahre an: Waren die Zahlen stabil oder auf dem absteigenden Ast? Oder haben sie vielleicht sogar Fahrt aufgenommen, z. B. weil Ihr Onkel vor Kurzem den Hochzeitsaal erneuert hat und nun viele große Veranstaltungen im Hinterauhof stattfinden können?

 

Einen ersten Hinweis liefert die Gewinnentwicklung. Ist der Überschuss, der erwirtschaftet wurde, gesunken, gestiegen oder stabil geblieben? Und was waren jeweils die Ursachen hierfür?

 

Aber auch Investitionen, wie z. B. der neue Hochzeitssaal, wirken sich gewinnmindernd aus und können sich trotzdem langfristig lohnen.

 

Betrachten Sie deswegen auch die Umsatzentwicklung: Ein Rückgang weist z. B. auf weniger Gäste oder weniger Verzehr pro Gast hin. Ein Umsatzwachstum könnte dadurch entstanden sein, dass nun Hochzeitsfeiern mit einem hohen Umsatzvolumen durchgeführt werden.

 

Und wie steht es mit der Umsatzrentabilität aus – also mit dem Gewinn, den Sie pro Euro Umsatz machen? Vielleicht haben Sie noch vor drei Jahren an einem Weizenbier ein Euro Gewinn gemacht, heute sind es bei gleichen Preisen nur noch 80 Cent. Ist die Rentabilität gesunken, müssen Sie nun für gleiches Geld mehr leisten.

 

Auch die Eigenkapitalrentabilität ist interessant: Sie zeigt Ihnen, wieviel Zinsen das Kapital bringt, das in dem Betrieb steckt. Ihr Onkel hat viel in seinen eigenen Gasthof investiert. Er hätte für das Geld ebenso Aktien kaufen können. Hat sich die Investition in den Gasthof gelohnt?

 

Auch im Bereich der Mitarbeiter können Sie einiges aus den Zahlen der letzten Jahre herauslesen: Wie haben sich zum Beispiel die Personalkosten im Verhältnis zum Umsatz entwickelt? Wenn Personal eingestellt wurde, hat dies einen Umsatzzuwachs gebracht? Ist dieser Zuwachs verhältnismäßig hoch oder niedrig?

 

Wieviel Personal gibt es überhaupt? Hat der Hinterauhof mehr Mitarbeiter als früher, weil er gewachsen ist? Hat er weniger Mitarbeiter als früher, weil entweder Abläufe effizienter gestaltet wurden oder weil im Hinterauhof einfach nicht genug los ist?

 

Und laufen die Mitarbeiter ständig weg – z. B. weil sie unzufrieden sind mit Ihrem Arbeitsplatz? Wie sind die Fluktuationszahlen? Oder kündigt fast nie jemand – einfach weil das Team vom Hinterauhof eine super Gemeinschaft ist und die Arbeit Spaß macht?

 

Sie sehen: Die betriebswirtschaftlichen Zahlen genau – und möglichst mit der Beratung eines Fachmannes – anzuschauen, ist damit ein wichtiger Punkt für die Bewertung.

 

Betriebswirtschaftliche Zahlen und vor allem deren Entwicklung in den vergangenen Jahren können Aufschluss über die Wettbewerbsfähigkeit und den Wert des Betriebes geben und offenlegen, auf welche Bereiche Sie besonders schauen sollten.

 

Wenn Sie also die Ertragfähigkeit Ihres Betriebes in der Zukunft einschätzen möchten, sollten Sie den Betrieb und seine Entwicklung der letzten Jahre genau unter die Lupe nehmen. Betriebswirtschaftliche Zahlen geben viele Hinweise darauf, ob der Betrieb intakt oder marode ist. Aber wie immer bilden betriebswirtschaftliche Zahlen bei ordnungsgemäßer Buchführung nur die Wirklichkeit ab. Deswegen müssen Strukturen und Einrichtungen des Betriebes sowie Mitarbeiter genau betrachtet werden. Der aktuelle Zustand ist die Startposition für die nächste Generation, den nächsten Lebensabschnitt des Betriebes. Aus ihr heraus müssen Sie künftig Ihren Gewinn erwirtschaften. Daher gilt es festzustellen, wo Schwachstellen und Risiken liegen und vor allem, welche Stärken ausgeschöpft werden können.

 

 Zusammenfassend kann man sich für die Meisterprüfung merken:

  

  • Vor der Übernahme eines Betriebes sollte seine Ertragfähigkeit eingeschätzt werden.
  • Zunächst sollten hinterfragt werden, aus welchen Gründen der Übergeber den Betrieb abgibt.  Zustand und Substanz des Betriebes mit seinen Anlagen und Einrichtungengeben einen ersten Eindruck.
  • Betriebliche Gegebenheiten wie Leistungsangebot und Kundenstamm, aber auch Mitarbeitern und Ihren Fähigkeiten, sind ebenfalls aussagekräftig.
  • Betriebswirtschaftliche Zahlen und deren Entwicklung in den letzten Jahren geben viele Hinweise, wo Schwächen und Stärken des Betriebes liegen.

 



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